Der Tag, an dem...

Der Tag, an dem...

Geschichten, die Hamburgs Geschichte prägten

# 179 - Der Tag, an dem ... die Moorweide zur Meckerwiese wurde

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Im Londoner Hyde Park gibt es "Speakers' Corner", einen Platz, an dem jedermann öffentlich reden darf, wann und wie es ihm beliebt. Etwas Ähnliches wird in den 60er Jahren auch in Hamburg eingeführt. Und zwar auf der Moorweide, gegenüber vom Dammtorbahnhof. Es ist der 12. Februar 1966, als der erste auf eine Küchenleiter kletterte und das Wort ergreift.Von Woche zu Woche nimmt die Zahl der Teilnehmer auf der "Meckerwiese" zu. Am zweiten Sonnabend kommen schon 800 Personen, nach 14 Tagen sind es 2000. Die Themen werden zunehmend politischer: Vietnam-Krieg, die Folgen der Berliner Mauer, auch Missstände im Hamburger Untersuchungsgefängnis werden angesprochen.

Wieso das Projekt schon nach neun Monaten beendet wird, das hören Sie in unserem neuen Podcast.

# 178 Der Tag, an dem ... der Schwiegersohn Sigmund Freuds starb

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Sigmund Freud, der berühmte Begründer der Psychoanalyse. Im September 1909 hielt er sich gemeinsam mit seiner aus Wandsbek stammenden Frau Martha in Hamburg auf. Wir wissen nicht, wie es kam, dass Freud ausgerechnet das Atelier des Fotografen Max Halberstadt am Neuen Wall aufsuchte. Möglicherweise hatte Freud von den außergewöhnlichen Fähigkeiten des damals 27-jährigen Lichtbildners gehört – er war einer der besten Fotografen seiner Zeit in Hamburg. Jedenfalls entstand bei diesem Besuch eine Serie berühmter Porträtaufnahmen. Bis heute werden diese Fotos regelmäßig zur Illustration verwendet, wenn ein Buch oder ein Artikel über Sigmund Freud erscheint. Freud und Halberstadt: Aus den beiden Männern werden enge Freunde. 1913 heiratet Halberstadt Freuds Tochter Sophie. Die stirbt zwar bereits 1920 – aber die Beziehung zwischen Halberstadt und Freud bleibt sehr eng. 1936 muss Halberstadt – er ist Jude – aus Nazi-Deutschland fliehen. Die Verfolgung durch die Nazis, die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz und der schwierige Neuanfang in Südafrika – all das setzt seiner Gesundheit zu. Halberstadt stirbt am 30. Dezember 1940 im Alter von 58 Jahren.

# 177 Der Tag, an dem ... Altona, Wandsbek und Harburg zu Stadtteilen Hamburgs wurden

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Wer sich die politische Landkarte von Hamburg und Umgebung aus der Zeit vor 1937 ansieht, schaut auf einen komplizierten Flickenteppich. Großhansdorf und Geesthacht, ja sogar das Amt Ritzebüttel an der Elbmündung, sind Teil der Stadt, obwohl völlig abseits gelegen. Andererseits muss ein Hamburger, den es nach Wandsbek treibt, in ein anderes Land reisen: nach Preußen nämlich.

Seit Ende des Ersten Weltkriegs hat die Stadt Hamburg immer wieder versucht, diesen Irrsinn zu beenden. Aber die angrenzenden Landkreise haben sich beharrlich geweigert, Flächen abzutreten. Für Hamburgs Handel ist es jedenfalls sehr hinderlich, dass sich beispielsweise die Landesgrenze zu Preußen mitten durch das Hafengebiet zieht.

Ausgerechnet in Adolf Hitler finden die Hamburger einen Bündnispartner. Bei einem Besuch des Diktators im Hafen machen Wirtschaftsvertreter ihn darauf aufmerksam, dass die Stadt – und damit die Ökonomie – wegen der engen Grenzen kaum noch wachsen könne. Kurz darauf Hitler das Groß-Hamburg-Gesetz auf den Weg.

Dem Reichskanzler geht es dabei nicht im Geringsten um das Wohlergehen der Hansestadt. Der Diktator denkt stattdessen an den längst geplanten Angriff auf die Nachbarländer. In der Hansestadt sitzt ein Fünftel der Mineralölindustrie und ein Drittel der Fischindustrie. Beide spielen eine große Rolle, da Deutschland – um kriegsfähig zu werden – unabhängig von ausländischen Rohstofflieferungen sein soll. Außerdem braucht Hitler die Werften, damit sie ihm eine Kriegsflotte bauen.

Am 1. April 1937 ist es dann so weit. Mit ihren Unterschriften unter dem Gesetz verändern vier Männer die Geschichte der Stadt grundlegend: Adolf Hitler, Innenminister Wilhelm Frick, Finanzminister Graf Schwerin von Krosigk und Hermann Göring, der Beauftragte für den Vierjahresplan. Hitler kommentiert, dass die Reform „mit einem Federstrich“ gelungen sei - eine Anspielung darauf, dass die Regierungen der Weimarer Republik dasselbe auch in langjährigen Bemühungen nicht geschafft haben.

Am Festakt im Rathaus nehmen etliche Persönlichkeiten des NS-Regimes teil: Hitler selbst ist nicht anwesend, aber er schickt Rudolf Heß, seinen Stellvertreter. Es gibt eine Großkundgebung auf dem Rathausmarkt, der jetzt Adolf-Hitler-Platz heißt. „30 000 Fackeln grüßen Groß-Hamburg“, titelt das Hamburger Fremdenblatt. Heß ruft vom Balkon des Rathauses der Menge zu: „Es ist zusammengeschlossen, was notwendigerweise längst zusammengehört: Groß-Hamburg ist Wirklichkeit geworden!“

Welche ehemals selbständigen Städte nun zu Hamburg dazukommen, was die Stadt im Gegenzug abtreten muss und welche weitreichenden Folgen das hat – all das hören Sie in unserem Podcast:

# 176 Der Tag, an dem ... Jan Philipp Reemtsma von diesen Männern befreit wurde

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Ein linker Pastor, ein Soziologie-Professor und ein Alt-68er sorgen vor 25 Jahren dafür, dass der Hamburger Mäzen, Philologe und Sozialforscher Jan Philipp Reemtsma nach 33-tägiger Geiselhaft wieder in die Freiheit entlassen wird. 25 Jahre sind seither vergangen. Zwei der drei „Befreier“ sind noch am Leben und geben zum allerersten Mal Auskunft über das, was damals geschah – in einem exklusiven MOPO-Interview.

Rückblick: Der 25. März 1996. Multimillionär Reemtsma wird auf seinem Grundstück in Blankenese entführt. Die Täter lassen ein Schreiben zurück – beschwert mit einer Handgranate. In dem Brief heißt es, dass sie 20 Millionen D-Mark Lösegeld fordern. Wenn Presse und Polizei eingeschaltet würden, bedeute das den Tod der Geisel.

Reemtsma verbringt die nun folgenden Wochen angekettet im Keller eines Hauses in Garlstedt, rund 90 km von Hamburg entfernt. Zwei Geldübergabeversuche scheitern, weil die Täter bemerken, dass die Polizei mit im Spiel ist. Daraufhin erhöhen sie ihre Lösegeldforderung auf 30 Millionen Mark und fordern Reemtsma auf, Personen als Geldüberbringer zu benennen, die verlässlich nicht mit der Polizei zusammenarbeiten würden.

Jan Philipp Reemtsma schreibt zwei Namen auf einen Zettel: Pastor Christian Arndt von der Friedenskirche in St. Pauli und den Kieler Soziologen Lars Clausen. Am 15. April ist bei Pastor Arndt gerade der Konfirmandenunterricht zu Ende, als sein Telefon klingelt. Eine elektronisch verzerrte Stimme sagt: „Wir haben Jan Philipp Reemtsma entführt.“ Arndt wird gefragt, ob er bereit wäre, gemeinsam mit Lars Clausen die Geldübergabe in die Wege zu leiten. Arndt sagt spontan zu und holt auch noch den Sozialarbeiter und ehemaligen GAL-Politiker Michael Herrmann mit ins Boot.

Die folgenden Tage sind für die drei die aufregendsten ihres Lebens. Sie wissen: Jan Philipp Reemtsma wird nur überleben, wenn diesmal die Polizei außen vor bleibt. Die drei merken, dass sie beschattet werden, wissen aber nie: Ist es das LKA oder sind es die Entführer?

Nach einer langen, entnervenden Wartezeit kommt dann der Anruf der Entführer mit genauen Anweisungen, wohin das Geld gebracht werden soll. Pastor Arndt und Soziologe Clausen setzen sich mitten in der Nacht ins Auto. Im Kofferraum: die Sporttaschen mit den 30 Millionen D-Mark.

# 175 Der Tag, an dem ... Polizeimeister Norbert Schmid das erste Mordopfer der RAF wurde

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Polizeimeister Norbert Schmid ist das erste Mordopfer der RAF. Vor genau 50 Jahren, in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 1971, wird er in Poppenbüttel erschossen.

In dieser Nacht findet in einer konspirativen Wohnung der RAF im dritten Stock des Hauses Heegbarg 13 eine Art Vollversammlung der RAF statt. Ulrike Meinhof, Holger Meins, Jan-Carl Raspe, Irmgard Möller, Margrit Schiller, Gerhard Müller und einige weitere Komplizen besprechen ihren nächsten Coup.
Es ist halb eins, als es Ulrike Meinhof einfällt, sie müsse nochmal telefonieren. Deshalb will sie eine nahegelegene Telefonzelle aufsuchen. Sie fordert Margrit Schiller und Gerhard Müller auf, sie zu begleiten. Ulrike Meinhof geht voraus, in einigem Abstand folgen ihr die beiden anderen.
Polizeimeister Norbert Schmid (32) ist Zivilfahnder am Polizeirevier 53 in Poppenbüttel. In dieser Nacht macht er gemeinsam mit dem 27-jährigen Heinz Lemke Dienst. Während Regen gegen die Windschutzscheibe des Ford 17 M prasselt, beobachten die beiden am S-Bahnhof Poppenbüttel die Leute, die gegen ein Uhr nachts aus der letzten Bahn steigen.
Dabei fällt ihnen eine dunkelhaarige Frau auf, die zunächst in einer Kleingartenanlage am Heegbarg verschwindet, dann aber anderswo wieder auftaucht: Sie verlässt die Tiefgarage am Alstertal-Einkaufszentrum.
Schmid und Lemke wollen die Dunkelhaarige kontrollieren, rufen durchs offene Wagenfenster: „Halt, Polizei, bleiben Sie stehen!“ Als die Frau wegzulaufen versucht , gibt Lemke Gas, stellt den Wagen quer, um ihr den Weg zu versperren. Doch die Frau läuft um das Auto herum und rennt über einen Rasen davon.

Schmid nimmt zu Fuß die Verfolgung auf. Kurz darauf fallen Schüsse. Der Polizeibeamte bricht tödlich getroffen zusammen.

# 174 Der Tag, an dem ... Bill Haley auftritt und die Halbstarken den Verstand verlieren

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"Bill Haley & His Comets" - im Herbst 1958 zieht diese Band eine Schneise der Verwüstung durch Deutschland. Wo immer sie auftritt, gibt's Schlägereien, fliegen Stühle durch die Fenster, wird die komplette Saaleinrichtung demoliert. Hamburgs Polizeiführung ist in höchster Alarmbereitschaft, als der Star am 27. Oktober in der Ernst-Merck-Halle auftritt.

1958 heißen die "Beatles" noch "The Quarrymen" und sind in Deutschland völlig unbekannt. Elvis Presley steht ganz am Anfang seiner Karriere. Und den Begriff "Rock'n'Roll" hat noch nie einer gehört. Stattdessen ist überall nur vom "Haley-Sound" die Rede.

"Rock Around The Clock", "Crazy Man, Crazy" - das sind zwei von Haleys berühmtesten Stücken. Anfang der 50er Jahre hat er weißen Country mit dem Rhythm 'n' Blues schwarzer Musiker gemischt und einen ganz neuen wilden und schrägen Stil kreiert. Eine unzufriedene Generation, die aufbegehrt gegen die Alten, hat ihren musikalischen Ausdruck gefunden.

Klar, dass Hamburgs Jugend dem Auftritt ihres Idols entgegenfiebert. Die Ernst-Merck-Halle ist ausverkauft. Vor den Zugängen stehen Beamte in Zehner-Gruppen. Rund um den Veranstaltungsort patrouillieren berittene Polizisten. Das massive Aufgebot an Sicherheitskräften soll die Besucher einschüchtern und von Gewalttaten abhalten. Das Gegenteil wird erreicht, wie sich bald zeigen wird...

# 171 Der Tag, an dem ... die Deutschen König Rudolf Manga Bell ermordeten

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Kein Afrikaner war je so deutsch wie er. Er war ausgebildet in Deutschland, pflegte deutsche Sitten, sprach die deutsche Sprache, und zwar ohne jeden Akzent. Aber als die Deutschen, deren Kultur er eigentlich so sehr verehrte, damit begannen, sein Volk zu betrügen, zu berauben und zu unterjochen, da wehrte sich König Rudolf Manga Bell. Nicht mit Speeren oder Musketen. Er zettelte keinen Krieg an. Nein, er wählte einen ganz anderen Weg. Genau das war es, was ihn für seine Gegner so gefährlich machte.Am Ende wussten sich die Kolonialherren keinen anderen Rat mehr, fädelten einen Justizmord ein, um Manga Bell aus dem Weg zu räumen. Am 8. August 1914 – in Europa hatte gerade der Erste Weltkrieg begonnen – wurde er gehängt. Zur Abschreckung baumelt der Leichnam des 41-Jährigen drei Tage am Galgen. Heute ist der König in seiner Heimat ein Nationalheld, ja, beinahe so etwas wie ein Heiliger.Im „Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt“ (MARKK) gibt es derzeit eine Ausstellung über ihn. Der Titel ist eine Frage. Sie lautet: „Hey Hamburg! Kennst Du Duala Manga Bell?“ Klar, wie die Antwort lautet: Wen, bitte? Nein, von ihm und seiner Geschichte hat kaum jemand je gehört. Und das ist eigentlich ein Trauerspiel.Die Ausstellung will das jetzt ändern. Denn es ist höchste Zeit, dass alle von den Verbrechen erfahren, die Deutschland in seinen Kolonien begangen hat. Zumal es vor allem Hamburger Unternehmen waren, die von der Ausbeutung und Knechtung fremder Völker profitierten. Allen voran: das Handelshaus C. Woermann.

# 170 Der Tag, an dem ... Revolutionäre in Hamburg fürs Wahlrecht auf die Barrikaden gehen

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An diesem Wochenende ist Bundestagswahl. Vielleicht die wichtigste Wahl seit Jahrzehnten, weil es sich um eine Richtungsentscheidung handelt: Wie geht es weiter mit Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit in unserem Land? Sein Kreuz zu machen und mitzuentscheiden – das sollte für jeden eine Selbstverständlichkeit sein. Denn schließlich: Es ist noch nicht so lange her, seit Menschen auf die Barrikaden gegangen und ihr Leben riskiert haben im Kampf für allgemeines und freies Wahlrecht.
Zum Beispiel während der Revolution 1848. Wie die Menschen im Rest Europas auch sind viele Hamburger damals zutiefst unzufrieden. Es sind allein die Reichen, die das Recht haben, politisch mitzubestimmen: die 3000 „erbgesessenen Bürger“, also diejenigen, die über Grundbesitz innerhalb von Hamburgs Wallanlagen verfügen. Die übrigen 150.000 Einwohner haben nichts zu sagen. Kein Wunder, dass es im Kessel brodelt. Und am 3. März 1848, einem Freitag, explodiert er.
Wie bedrohlich die Lage ist, spüren die Senatoren im Rathaus schon seit einiger Zeit. Gut eine Woche zuvor sind in Paris Bürger auf die Barrikaden gegangen und haben den König zur Emigration gezwungen. Es ist unübersehbar, dass der Funke nun auf Deutschland überspringt.
Am Abend des 3. März ist Ratssitzung in Hamburg. Eilig diskutieren die Senatoren, wie das Volk beruhigt werden könnte. Ein Vorschlag lautet: die Pressefreiheit einzuführen und damit eine der Hauptforderungen der Opposition zu erfüllen.
Als sich die Senatoren auf den Heimweg machen, gibt es erste Tumulte. Wütende Bürger dringen in das Haus von Bürgermeister Heinrich Kellinghusen (1796-1879) ein. Bei den Senatoren Martin Hieronymus Hudtwalcker (1787-1865) und Heinrich Johann Merck (1770-1853) schmeißen sie Steine durch die Fenster. Allerdings sorgt das Bürgermilitär schnell für Ruhe. Die Revolution bleibt aus. Noch…
Wie es weitergeht? Hören Sie unseren Podcast, in dem auch noch erzählt wird von den sogenannten „Wahlrechtsunruhen“ 1906 und von der Novemberrevolution 1918.

Über diesen Podcast

„Der Tag, an dem …“ ist seit einigen Jahren die erfolgreichste Serie der Hamburger Morgenpost. MOPO-Chefreporter Olaf Wunder berichtet über die Tage, die Hamburgs Stadtgeschichte prägten.
Das Spektrum der Serie ist breit und reicht von Hamburger Persönlichkeiten, großen Bränden und außergewöhnlichen Wetterereignissen über spektakuläre Verbrechen bis zur Verkehrs- und Baugeschichte sowie der älteren und jüngeren Hamburger Politik. Und so groß wie das Interesse der Hamburger an der Geschichte ihrer Stadt, so gewaltig ist auch das Echo bei den Lesern. Wegen des großen Erfolgs werden Teile der Serie nun auch als Podcast – gelesen vom Autor Olaf Wunder selbst – veröffentlicht.

von und mit Hamburger Morgenpost - Das Podcast-Team

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