Der Tag, an dem...

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Geschichten, die Hamburgs Geschichte prägten

# 149 Der Tag, an dem ... Mehmet Kaymakçi starb

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Seit er arbeitslos war, trank er oft zu viel. Am Abend des 24. Juli 1985 besuchte Mehmet Kaymakci das Lokal "Bei Ronnie" an der Fibigerstraße in Langenhorn. Sein Unglück war, dass dort zur selben Zeit auch diese drei Gäste Bier tranken: Frank-Uwe P. (20), Mario B. (19) und Bernd M. (20). Vor allem Frank-Uwe P., ein ehemaliger Bundesgrenzschützer, hatte eine ausgiebige Neonazi-Vergangenheit und war der Polizei schon als militanter HSV-Fan aufgefallen. Zwischen den drei Deutschen und dem Türken kam es in der Kneipe zum Streit. Erst blieb es bei einem Wortgefecht. Als sich Mehmet Kaymakci aber gegen Morgengrauen auf den Heimweg machte, folgten ihm die drei. In der Straße Hohe Liedt schlugen sie ihn. Traten ihm ins Gesicht. Immer wieder. Es war purer Hass, der die Täter antrieb. Und als Mehmet Kaymakçi nur noch röchelnd und wahrscheinlich schon sterbend dalag, hoben die drei Täter einen Steinblock von 94 Kilo Gewicht an, ließen ihn fallen und zertrümmerten den Kopf des 29-jährigen türkischen Maurers.

# 148 Der Tag, an dem ... die Nazis Joseph Carlebach ermordeten

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Es war ein perfides Täuschungsmanöver: Um sie in Sicherheit zu wiegen, hatten die Nazis den Gefangenen versprochen, sie in ein besseres Lager zu bringen. Stattdessen wurden sie mit Bussen und Lastkraftwagen in den Hochwald von Bikernieki bei Riga transportiert, wo die Gruben schon ausgehoben waren. Die Todgeweihten wurden hineingetrieben, dann begann das Maschinengewehr zu rattern. Am Abend des 26. März 1942 waren 1800 Menschen tot. Einer von ihnen: Oberrabbiner Joseph Carlebach, eine Seele von Mensch. Es war seine Synagoge, deren Wiederaufbau derzeit diskutiert wird. Der Platz, auf der sie stand, trägt seinen Namen. Ein „großer jüdischer Weiser“ sei er gewesen, sagte einmal Altbürgermeister Henning Voscherau (SPD) über Carlebach. Eine standhafte, vorbildliche Persönlichkeit. „Er war eine Erscheinung: charismatisch, imposant, dominant. Wenn er auf der Kanzel stand und predigte, hörten die Leute gebannt zu.“ So erinnerte sich Miriam Gillis-Carlebach, die inzwischen verstorben ist, an ihren Vater.

# 147 Der Tag, an dem ... „Hamburgs Mozart“ zur Welt kam

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Jeder - auch derjenige, der mit seinem Namen nichts anfangen kann - kennt Felix Mendelssohn Bartholdys populärstes Stück. Den berühmten "Hochzeitsmarsch". Geschrieben hat er die Melodie für die Shakespeare-Komödie "Ein Sommernachtstraum". Seither hat sie schon in mehr als 100 Filmen den Weg des Brautpaares zum Altar untermalt.
Der Mann, der als "Mozart des 19. Jahrhunderts" in die Musikgeschichte eingegangen ist, wird am 3. Februar 1809 im Haus Große Michaelisstraße 14 in Hamburg geboren.
Felix Mendelssohn Bartholdy entpuppt sich als Wunderkind. Er ist neun, als er am 24. Oktober 1818 sein erstes öffentliches Konzert gibt. Mit zehn tritt er in die Sing-Akademie in Berlin ein, wo er Kirchenmusik studiert. Und als Elfjähriger beginnt er bereits mit dem Komponieren. Gleich im ersten Jahr schreibt er 60 Werke, darunter Lieder, Klaviersonaten, ein Klaviertrio und mehrere Orgelstücke. Schon bald ist der Name Felix Mendelssohn Bartholdy der ganzen Musikwelt ein Begriff. Der junge Mann lernt die berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit kennen. Als Zwölfjähriger besucht er beispielsweise Goethe in Weimar, verbringt 16 Tage in dessen Haus. Im selben Jahr macht er auch die Bekanntschaft des legendären Komponisten Carl Maria von Weber.
Felix Mendelssohn Bartholdy lebt sein Leben, als wenn er wüsste, dass er nicht sehr alt werden wird und deshalb keine Zeit zu verlieren hat: Er ist noch keine 18, als er 1826 seine "Sommernachtstraum"-Ouvertüre aufführt. Als 20-Jähriger setzt er 1829 gegen einige Widerstände durch, dass die Berliner Sing-Akademie die völlig in Vergessenheit geratene "Matthäus-Passion" wieder aufführt. Damit begründet er seinen Ruf, der Wiederentdecker von Johann Sebastian Bach zu sein.

# 146 Der Tag, an dem ... die „Pamir“ im Sturm sank

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Die "Pamir" war der Stolz der deutschen Handelsmarine. Bei der gewaltigen Viermastbark handelte es sich um einen der legendären Flying-P-Liner der Hamburger Reederei Laeisz. Am 21. September 1957 kommt es zur Katastrophe: Das Schiff gerät 600 Seemeilen südwestlich der Azoren in einen Hurrican, sendet SOS. An Bord sind 86 Mann, darunter 50 Seefahrtschüler. Das Unwetter kommt so schnell, dass keine Zeit bleibt, die Segel einzuholen. Der Orkan zerfetzt sie, drückt die Masten aufs Wasser. Dann rächt sich, dass wegen eines Hafenstreiks in Buenos Aires die Fracht - 3780 Tonnen Gerste - nur provisorisch verstaut worden ist. Die Ladung verrutscht, sodass das Schiff in Schieflage gerät und zunächst mit 35, dann sogar 45 Grad Schlagseite in der aufgewühlten See treibt. Um 11 Uhr Bordzeit setzt Funkoffizier Wilhelm Siemers den ersten Notruf ab. 54 Minuten später ein weiteres Mal SOS: "Rush rush to us, german fourmast broken ,pamir' danger of sinking." Kurz darauf kentert das Schiff. 80 Besatzungsmitglieder ertrinken. Die Ära der Frachtsegler ist damit besiegelt. Das Schwesterschiff "Passat" läuft nie mehr aus. Es liegt seither als Museumsschiff in Travemünde. Von allen Flying-P-Linern segelt nur noch die "Padua". Sie heißt jetzt "Kruzenshtern“ und ist das Schulschiff der russischen Handelsmarine.

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# 145 der Tag, an dem... sich das Wunder von Neuengamme ereignete

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Im Deutschen Reich gibt es im November 1910 nur ein Thema: das „Wunder von Neuengamme“. Viele, viele Schaulustige machen sich auf den Weg nach Vierlanden, weil sie sich mit eigenen Augen von diesem Phänomen überzeugen wollen. Lange bevor sie es sehen, hören sie es schon: Das Getöse ist ohrenbetäubend. Die Geschichte beginnt am 3. November 1910 damit, dass ein paar Mitarbeiter der Hamburger Wasserwerke im dünn besiedelten Neuengamme ein großes Loch ins Erdreich bohren. Statt auf Grundwasser, wie erhofft, stoßen sie in 248 Metern Tiefe auf eine Erdgasader. Mit Schlamm, Sand und Wasser gemischt schießt das Gas unter Zischen und Brausen aus Dem Bohrloch. Am nächsten Tag, dem 4. November, passiert dann das Unglück: Weil sich in der Nähe des Bohrlochs ein Lokomobil befindet, ein dampfgetriebenes Baufahrzeug, entzündet sich das Gas. Bei der mächtigen Explosion wird der Bohrturm der Wasserwerker in tausend Teile zerfetzt. Drei riesige Feuersäulen – sie sehen aus wie ein Flammenkreuz – stehen für drei Wochen über Neuengamme. Vor allem nachts ein einzigartiger Anblick. Postkarten mit Fotos davon werden in riesiger Stückzahl gedruckt und gehen um die Welt. Die Sache hat auf Schaulustige eine derartige Anziehungskraft, dass die Reichsbahn Sonderfahrten bis zum Bahnhof Bergedorf anbietet. Der Rest des Weges muss dann zu Fuß zurückgelegt werden: immerhin ein einstündiger Marsch. Aber für ein „Wunder“ nehmen die Leute das gerne in Kauf. Nicht nur die Bahn verdient gut an dem Erdgasfund. Auch die Hamburger Gas-Werke wittern Profite. Es braucht allerdings einige Anläufe, bis es den Experten gelingt, die riesigen Flammen zu löschen. Anschließend wird eine 15,3 Kilometer lange Rohrleitung bis zum nächsten Gaswerk gebaut, um das Erdgas aus Neuengamme nutzen zu können. Das Vorkommen erweist sich als so groß, dass dem Hamburger Stadtgas bis 1930 ein 20-prozentiger Erdgas-Anteil zugesetzt werden kann: 250 Millionen Kubikmeter sind es insgesamt. Das Gas hat einen Wert von 20 Millionen Goldmark. Es ist damit das erste Mal in Deutschland, dass ein Erdgasfund kommerziell genutzt wird – ein kleiner Vorgeschmack auf das Erdgas-Zeitalter, das ein halbes Jahrhundert später einsetzt.

# 144 Der Tag, an dem ... der Eimsbütteler Turnverband (ETV) gegründet wurde

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Der ETV Deutscher Fußballmeister? Ein paar Mal hat dazu nur ganz wenig gefehlt. In den 30er und 40er Jahren war das. Einer der größten Fans war damals ein Mann, der später als Rhetorik-Professor von sich reden machte: Walter Jens (1923-2013). "Wenn ich den letzten Goethe-Vers vergessen habe, werde ich den Eimsbütteler Sturm noch aufzählen können." Und das stellte Jens auch gleich unter Beweis: "Dehrle Ahlers, Otto Rohwedder, Herbert Panse, Kalli Mohr und Hanno Maack."
Vor 132 Jahren, am 2. Juni 1889, treffen sich in "Jappes Wirtschaft" an der Fruchtallee 60 Bürger, um im rasch wachsenden Vorort Eimsbüttel einen Männerturnverein zu gründen. Persönliche Differenzen führen dazu, dass sich schon bald eine Gruppe abspaltet und einen Konkurrenzverein aus der Taufe hebt: die Eimsbütteler Turnerschaft. Doch 1898 kommt es zum Zusammenschluss - keine Liebesheirat, sondern eine Zweckehe: Beide hätten gerne eine Halle, nur allein ist keiner der beiden Vereine finanziell dazu in der Lage, sie zu bauen. So entsteht der Eimsbütteler Turnverband (ETV). Der Verein ist durch und durch deutschnational. Kein Wunder, denn es sind Kaufleute, Beamte und Angestellte, die Eimsbüttel prägen - die bürgerliche Mittelschicht, die besonders anfällig ist für den lange vor Hitler um sich greifenden Antisemitismus. So erklärt sich, warum die Fassade der 1910 fertiggestellten Turnhalle an der Bundesstraße bis heute mit steinernen Hakenkreuzen "verziert" ist.

# 143 Der Tag, an dem ... Multimillionär Jan Philipp Reemtsma entführt wurde

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Es ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Nachkriegsgeschichte: Am 25. März 1996 - also vor genau 25 Jahren - verschleppen Entführer den Hamburger Multimillionär Jan Philipp Reemtsma. Selten ist ein Entführungsopfer so lange in der Hand seiner Entführer, nie wurde so viel Lösegeld bezahlt: 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken. Von der Beute wurden bis heute nur rund 1,5 Millionen Mark sichergestellt. Trotzdem ist der Entführer Thomas Drach wohl pleite. Hätte er sich sonst vergangenes Jahr in Köln an drei Überfällen auf Geldtransporter beteiligt? Das wird ihm jedenfalls zur Last gelegt, und deshalb sitzt er in den Niederlanden in Auslieferungshaft. In unserem Podcast erzählen wir, wie es Reemtsma, angekettet im Keller, erging, wieso zwei Geldübergaben scheiterten und wie es schließlich zu seiner Freilassung kam.

# 142 - Der Tag, an dem ... eine Notlandung auf der A 7 mit einer Katastrophe endete

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Nur 60 Sekunden, nachdem das Passagierflugzeug der Linie Paninternational am Flughafen Fuhlsbüttel abgehoben ist, geraten beide Triebwerke in Brand. Der Flugkapitän entschließt sich dazu, auf der A 7 bei Hasloh notzulanden. Das Flugzeug rast dann mit 200 Stundenkilometern in Schräglage über die Fahrbahndecke – direkt auf eine Brücke zu. Beide Tragflächen werden abgerissen, Seitenruder und Heck zerstört, der Rumpf zerbricht in drei Teile. Während das Cockpit seitlich weggeschleudert wird, dreht sich der Rest des Flugzeugs unter der Brücke durch und kommt erst 100 Meter weiter zum Stehen. Die Bilanz des Ungücks: 21 Passagiere verbrennen in der Maschine. Ein Besatzungsmitglied stirbt beim Aufprall. 99 Insassen überleben das Unglück, sind aber zum Teil schwer verletzt. Wenige Tage später kommt heraus, dass die unglaubliche Schlamperei das Unglück ausgelöst hat. Weil im Lager der Fluggesellschaft Kerosin mit Kühlwasser verwechselt worden war...

# 141 der Tag, an dem ... Terroristen aus Hamburg die ganze Welt in Angst versetzten

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In diesem Jahr jährt sich der verheerendste Terroranschlag der Geschichte zum 20. Mal. Selbstmordattentäter lenken am 11. September 2001 zwei Passagiermaschinen in die Zwillingstürme des Word Trade Centers und bringen sie zum Einsturz. Ein weiteres entführtes Flugzeug bohrt sich ins Pentagon. Rund 3000 Menschen sterben an diesem Tag. Als kurz darauf bekannt wird, dass einige Mitglieder der Terrorgruppe in Hamburg gelebt und studiert haben, ist es ein Schock für die Hansestadt. Mohammed Atta, Marwan al-Shehhi, Said Bahaji, Zakariya Essabar, Ziad Jarrah und Mounir al-Motassadeq. Namen, die sich eingeprägt haben, eingebrannt ins kollektive Gedächtnis. Wie ist es zu erklären, dass aus hochintelligenten jungen Männern Massenmörder wurden? Eine Spurensuche. Unter anderem sprachen MOPO-Reporter mit Dittmar Machule, dem Städtebauprofessor von der TU Harburg, bei dem Mohammed Atta, der Kopf der Terrorzelle, seine Diplomarbeit geschrieben hat. Darin übrigens diese Widmung: „Mein Gebet und meine Opferung und mein Leben und mein Tod gehören Allah, dem Herrn der Welten.”

# 140 Der Tag, an dem ... Esther Bejarano nach Auschwitz kam

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Gerade mal 1,47 Meter groß ist Esther Bejarano. Freunde nennen sie liebevoll Krümel. Trotzdem ist eine wirklich große Frau. Unbeugsam, leidenschaftlich und von unglaublicher Kraft. Ihre Eltern wurden ermordet, sie stieg am 20. April 1943 nach dreitätiger Eisenbahnfahrt aus dem Viehwaggon und fand sich in Auschwitz wieder, wurde Akkordeonspielerin im Lager-Orchester und machte Musik, wenn andere Juden Richtung Gaskammer getrieben wurden. Der Posten im Orchester hat ihr wahrscheinlich das Leben gerettet. Und deshalb wiederholt sie immer wieder, wie groß das Glück war, das sie in ihrem Leben hatte. Im MOPO-Podcast erzählt sie im Gespräch mit Olaf Wunder aus ihrem bewegten Leben.

Über diesen Podcast

„Der Tag, an dem …“ ist seit einigen Jahren die erfolgreichste Serie der Hamburger Morgenpost. MOPO-Chefreporter Olaf Wunder berichtet über die Tage, die Hamburgs Stadtgeschichte prägten.
Das Spektrum der Serie ist breit und reicht von Hamburger Persönlichkeiten, großen Bränden und außergewöhnlichen Wetterereignissen über spektakuläre Verbrechen bis zur Verkehrs- und Baugeschichte sowie der älteren und jüngeren Hamburger Politik. Und so groß wie das Interesse der Hamburger an der Geschichte ihrer Stadt, so gewaltig ist auch das Echo bei den Lesern. Wegen des großen Erfolgs werden Teile der Serie nun auch als Podcast – gelesen vom Autor Olaf Wunder selbst – veröffentlicht.

von und mit Hamburger Morgenpost - Das Podcast-Team

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